Kennt ihr diesen Moment der Stille? Was bedeutet Stille überhaupt?
Für viele Menschen ist es ein ruhiger Zustand ohne Lärm oder störende Geräusche. Meist wird es als wohltuend und angenehm empfunden. Denn wenn etwas still ist, dann kann es nicht stressig sein. Oder?
Der Mensch meidet gerne stressige Situationen. Daher ist die Suche nach der Stille etwas sehr bedeutsames für die Seele des Menschen. Balsam für die Seele – wie man so schön sagt.
Ein Zustand des Ruhigseins. Des Innehaltens.
Dieses Gefühl habe ich vermisst. Daher habe ich Zeit gebraucht, um Augenblicke der Stille sammeln zu können.
Früher habe ich es kaum ertragen, wenn es um mich herum ruhig und still war. Vielleicht ein Grund dafür, warum es mir in einer Großstadt zu leben so gut gefällt. Doch mit einem Kind, einem Familienleben und einem parallelen Studium wird es auch nie still. Nicht im Kopf. Die Gedanken kreisen sich. 24 Stunden lang. Ich liege im Bett – müde und erschöpft – aber meine Gedanken wollen nicht schlafen. Ich glaube, dass viele Menschen dieses Gefühl kennen – ein Gefühl nicht zur Ruhe kommen zu können.
In unserem ersten Familien-Urlaub vor einigen Tagen konnte ich die Stille einsaugen. Momente, die nur für mich allein bestimmt waren. Wie kleine Puzzleteile. Unbewusst. Es gab mir viel Kraft. Die Gedanken in die richtige Richtung zu lenken, ist meist sehr schwierig. Tausende Gedanken, die ich seit Monaten in meinem Kopf herumtrage. Ein buntes Chaos. Am liebsten hätte ich mich jedes Mal hingesetzt und meine Gedankenfetzen notiert. Doch das war nicht möglich. Warum?
Weil ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte. In meinem Kopf herrschte eine Wundertüte.
Voll mit Überraschungen. Mal bunt, mal grau. Vor einem Jahr war noch alles schwarz.
Ich versuche auf meine innere Stimme zu hören. Für einige klingt es vielleicht verrückt. Aber wenn man sich wirklich die Zeit nimmt und in sich hinein hört, erfährt man sehr viel über sich selbst. Und nur wer sich selbst kennt, kann von anderen etwas erwarten.
DER Grund, warum ich mit meinem Blog pausiert habe. Nach meinem Post über meine Geburt – Der Brief an meine Tochter – habe ich Abstand gebraucht. Ich habe mit einigen lieben Mamis gesprochen und geschrieben, mich über ihre Geburtserfahrungen ausgetauscht. Ich durfte zwei sehr persönliche Geschichten als Gastbeiträge mit euch teilen.
Es ist etwas paradox, wenn ich sage, dass ich Zeit gebraucht habe, um meinen Geburtsbeitrag zu verarbeiten und gleichzeitig den Blog eröffnet habe, um mit dem Schreiben mein Nahtoderlebnis verarbeiten zu können. Doch mit meinem Geburtsbericht, den ich mit euch geteilt hatte, habe ich tatsächlich etwas in Gang gebracht. Und zwar meine Gedanken in die richtige Richtung zu lenken. Ich denke nicht mehr negativ über das Erlebte. Ich möchte positiv nach Vorne schauen. Und das funktioniert!
Zeit heilt alle Wunden? NEIN! Die Zeit lässt die alten Wunden verblassen. Es ist wie mit einer Narbe. Irgendwann tut sie nicht mehr weh, erinnert euch aber ab und an mit einem kurzen Schmerz daran, wie ihr sie bekommen habt. Doch sie wird weniger sichtbar – aber ganz verschwindet sie nie! Aber ihr lebt damit weiter und nur wer ganz genau hinschaut, entdeckt eure Narbe… oder ihr erzählt demjenigen davon. Sie bleibt ein Teil von euch – für immer!
Wer mich auf der Straße anschaut, erkennt nicht, was ich für ein Leid ertragen musste und welche fürchterlichen Schmerzen ich empfand. Niemand weiß, warum ich so bin, wie ich nun geworden bin. Nur wer mich persönlich kennt oder von meiner Geschichte gehört hat, weiß darüber Bescheid.
Und das ist gut so, denn diese Geschichte ist zwar ein Teil von mir, soll aber nicht mehr mein Leben bestimmen.
Ich kann mittlerweile darüber reden – ohne in Tränen auszubrechen. Ein bitterer Beigeschmack bleibt dennoch dabei. Aber es ist schon längst kein Thema in unserem Alltag, welches unser und ganz besonderes mein Leben bestimmt.
Diese Erkenntnis und dieses Empfinden war vielleicht der Schlüssel, um die Tür zu meinem Chaos öffnen zu können. Ich fange an, meine Gedanken zu sortieren. Mich mit Themen zu beschäftigen, die ich so gerne habe. Mir juckt es in den Fingern, so vieles aufzuschreiben – euch von so vielen Dingen zu berichten, die ich liebe. Dinge aus einer Wundertüte – nur dieses Mal nicht chaotisch, sondern sortiert und vollgepackt mit Dingen, die das Leben schöner machen. Es ist jedem selbst überlassen, darüber zu urteilen, ob ihm das gefällt, was mir gefällt….über Geschmäcker lässt sich ja streiten (was wäre die Welt ohne diese Sprüche).
Und nun genieße ich die Stille, die ich gerade habe, während meine wundervolle Tochter schläft. Lasse meine Gedanken noch einmal Revue passieren und begebe mich in einen Zustand, in dem ich nur das leise Atmen meines kleinen Wunders höre…mein liebster Moment der Stille.
Eure Leni