Für mich und meine Tochter beginnt ein neuer Lebensabschnitt: der Start in den Kindergarten. Doch wie soll ich als traumatisierte Mama diesen Trennungsschmerz überstehen?
Unsere Vorgeschichte
Meine treuen Leser können sicher erahnen, dass für mich dieser Schritt ein viel größerer ist, als für die meisten Mamas. Für die neue Leserschaft möchte ich auf meinen „Geburtsbericht zwischen Leben und Tod – ein Brief an meine Tochter“ aufmerksam machen. Dort lest ihr über meine traumatische Geburt.
Alte Wunden – Die Trennung nach der Geburt
Für jede Mama ist es wohl der schlimmste Alptraum, wenn man nur daran denkt, jemand könnte dir das eigene Kind wegnehmen. Vor allem unmittelbar nach der Geburt. Doch genau ab diesem Moment fängt mein Trauma an.
Mein kleines Baby, welches ich nach dem Kaiserschnitt das erste Mal für einige Minuten bei mir haben durfte, wurde mir von einer Sekunde auf die nächste entrissen. Unerwartete Komplikation: ich war am verbluten gewesen. Diesen starken Trennungsschmerz unter all den anderen körperlichen Schmerzen werde ich wohl nie vergessen können. Ich realisierte ihn jedoch erst paar Tage später, nachdem ich aus dem Koma erwachte. Denn zu dem Zeitpunkt dieser Trennung war ich kaum noch bei Bewusstsein.
Zwischen Intensiv- und Entbindungsstation
Die letzten zwei Jahre habe ich Diana ausschließlich meiner eigenen Mama anvertraut. Sie ist es auch gewesen, die sie auf dem Arm gehalten hatte, als ich meine letzten Worte an sie richtete bevor ich in die Not-Op gefahren wurde.
Auch auf der Entbindungsstation ließ ich sie nicht an die Kinderkrankenschwestern abgeben. Diese Angst, sie würde mir wieder weggenommen werden, trat jedoch erneut auf, als ich die erste Nacht im Familienzimmer verbringen durfte. Ich war immer noch „gefesselt“ ans Bett und mein Mann so erschöpft von den vergangenen Tagen zwischen Intensiv- und Entbindungsstation, dass er Diana nachts nicht weinen und mich nicht schreien hörte. Sie wurde MIR mitten in der Nacht wieder einfach so weggenommen und ich war so hilflos und verzweifelt. Ich heulte und heulte. Zwischendurch zwangen mich die Medikamente zum Schlafen. Doch durch die starken Schmerzen wachte ich sehr häufig auf und hatte jedes Mal ein panisches Gefühl: ‚Wo ist mein Baby?! Geht es ihr gut?‘ Dies sollte das letzte Mal gewesen sein, so dachte ich. Ich wollte so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen!
Erneut getrennt von meinem Baby
Zwei Tage später wurde dann ICH meinem Baby entrissen, als ich erneut auf die Intensivstation wegen einer Lungenembolie musste. Wir waren wieder getrennt. Die Häuser liegen mehrere hundert Meter voneinander entfernt – sprich Diana konnte mich nicht so häufig besuchen kommen. Sie durfte theoretisch jederzeit zu mir, aber ich wollte es nicht aus einem ganz bestimmten Grund.
Zu groß war nämlich die Gefahr, dass sie sich auf dem Weg zu mir Keime holt oder erkältet. Ihre Gesundheit stand für mich schon in meinem Bauch immer vor meiner eigenen Gesundheit und vor meinen Wünschen. Es war mein sehnlichster Wunsch sie zu sehen und zu spüren. Ja es hat mich innerlich sogar zerrissen. Doch meine Vernunft siegte und ich sah sie nur ein einziges Mal bei meinem zweiten Aufenthalt auf der Intensivstation. Ich saugte so viel Babygeruch wie nur möglich auf, sammelte jede kleinste Erinnerung an sie in meinem Kopf und genoss die wenigen Minuten mit meinem Baby so intensiv wie es mein Zustand erlaubte.
Gefühle zwischen Angst um das Wohl meines Babys und Todesangst um mein eigenes Leben. Denn es wurde mir mehrmals täglich offen gesagt, dass ich leider noch nicht „übern Berg“ wäre und die Ärzte haben Andeutungen gemacht, dass es ungewiss bleibe, ob ich jemals über diesen Berg kommen werde.
Neue Wunden
Nun sind über zwei Jahre vergangen. Die Vorstellung mein Kind fremden Menschen im Kindergarten abzugeben, hat alte Wunden aufgerissen. Als wir den Platz für diesen Kindergarten bekommen haben, ist meine Freude zunächst groß gewesen. Es ist mein Wunsch-Kindergarten und ich habe keine Sekunde gezögert, ob es die richtige Entscheidung sei, Diana dort anzumelden. Ich bin optimistisch gewesen und freute mich auch für sie. Sie brauchte den Kontakt zu Kindern von Tag zu Tag immer mehr. Es machte sie glücklich und wenn sie es ist, dann bin ich es umso mehr.
Doch dann kam der Tag zur Eingewöhnung im Kindergarten immer näher. Mir wurde schlecht, mein Kopf kreiste. Bauchschmerzen. Wieder diese gemischten Gefühle zwischen Freude und Angst. Der Trennungsschmerz saß noch tief in mir und nährte sich nun täglich immer mehr von den Gedanken an den KiTa-Start. Ich fürchte mich nicht davor, dass Diana nicht zurecht kommen wird oder sich nicht von mir lösen wird. Sie wird sich bestimmt schnell anpassen an die neue Situation, Freunde finden und viel Spaß haben. Denn sie ist ein sehr selbstständiges, liebes und schlaues Mädchen.
Wovor ich mich jedoch fürchte, sind meine Gefühle! Die Angst vor der Trennung sitzt mir dermaßen in den Knochen. Mein ganzer Körper zittert. Übelkeit. Ohnmacht. Ich habe Angst zusammenzubrechen, dem Ganzen nicht Stand zu halten. Die alten Wunden fühlen sich so frisch an, wie neue Wunden in meinem Herzen.
Kindergarten rückt näher – Mamagefühle fahren Achterbahn
Das schwierige für mich ist, nach außen stark zu bleiben. Im Alltag verstecke ich meine Gefühle mittlerweile sehr gut. Ich lenke von unangenehmen Themen ab oder äußere mich nicht dazu. In meinem Inneren sieht es ganz anders aus. Wenn ich mal alleine bin, brechen häufig alle Gefühle durch. Es ist hart, stark sein zu müssen.
Doch ich muss stark sein. Für meine Tochter. Ich muss in der Zeit der Eingewöhnung für sie ein sicherer Hafen sein. Sie muss sehen und spüren, dass ich sowohl den Erziehern vertraue, als auch ihr vertraue…und letztendlich auch mir selbst, dass ich die ersten Trennungen verkrafte.
Mein Bewusstsein schafft es – das weiß ich. Doch gegen mein Unterbewusstsein kann ich nichts machen und gerade das bereitet mir Sorgen. Ich weiß nicht, wie die Eingewöhnung ausgehen wird, wie oft ich weinen oder verzweifeln werde. Ich versuche mir selbst so oft wie nur möglich einzureden, dass ich stark genug dafür bin. „What we think – we become.“ Stimmt’s? 🙂
Ich hoffe, dass ich meine Gefühle möglichst in Griff haben werde und meinem Unterbewusstsein nicht zu viel Macht gebe. Zur Zeit fahren meine Mamagefühle Achterbahn – ununterbrochen kreisen sich meine Gedanken um den Start in den Kindergarten und die Zeit danach. Ich bin immer noch zu sehr traumatisiert von dem Trennungsschmerz nach der Geburt. Doch ich muss lernen damit umzugehen. Ich muss lernen langsam loszulassen. Nicht nur meine Tochter, sondern auch den Trennungsschmerz…
Wie ich einmal auf Instagram schrieb:
Das Trauma sei für mich wie ein Sandkorn,
das in eine Muschel eindringt und zur Perle wird,
Nicht, weil es bekämpft wird,
sondern weil es liebevoll umschlossen und zu Eigen gemacht wird.
(Marie Methfessel)
Auch das Trauma der wiederkehrenden Trennungen in den ersten Tagen nach der Geburt sollte ich lernen so zu behandeln wie ein Sandkorn in einer Muschel. Es macht meine Liebe zu meiner Tochter unfassbar stärker und ich selbst kann nur noch weiter daran wachsen.
Ich werde euch bald berichten, wie die Eingewöhnung in der KiTa verlaufen ist und hoffe, dass ich nur Gutes zu berichten habe. ♥︎
♡ In Liebe, Leni ♡ XOXO